Galicia, Spanien. Auf unserer Fahrt an der galizischen Küste entlang wird mittlerweile ein Strand vom nächsten abgelöst und gerät kurz darauf schon wieder in Vergessenheit.
Es ist Zeit den Weg an der Küste entlang zu unterbrechen und damit der Erinnerung wieder einen Fixpunkt zu geben.
Auch hier umringen – wie am Tag zuvor ein paar Kilometer weiter östlich – erneut zerklüftete Klippen ein Stück hellen Sand. Wir parken auf einem kleinen Strandparkplatz, wo bereits zwei, drei Busse ihre Dächer aufgestellt haben. Und es gibt wieder Sonne, Wellen und Gespräche beim Bier mit den Busnachbarn über den Swell der kommenden Tage. Wie gestern – oder war es vor einer Woche? Es ist Zeit den Weg an der Küste entlang zu unterbrechen und damit der Erinnerung wieder einen Fixpunkt zu geben. Und so ändern wir den Kurs, fahren weg vom Meer und hinein in die Berge.
Dort, wo der Río Sil in den Río Miño mündet, beginnt die Ribera Sacra, eine Naturlandschaft von gut 700 Quadratkilometern durch deren Mitte der Río Sil in tiefen Schluchten hindurch fließt. Tektonische Verschiebungen haben diesen imposanten „Cañón del Río Sil“ geformt, dessen Wände bis zu 500 Meter steil abfallen. In diese Wände wurden fast den gesamten Fluss entlang Terrassen geschlagen, um Wein anzubauen. Oft ist der einzige Zugang zur Weinlese nur per Boot und Anlegesteg möglich, da die Hänge zu steil sind und kein Weg zu ihnen hinab führt.
Am nördlichen Ufer des Flusses führen schmale Straßen in einigem Abstand zu Aussichtspunkten, die mal mehr, mal weniger spektakulär sind.
Hinter dem kleinen Dorf Doade, kurz bevor die Straße vom Nordufer über die alte Steinbrücke zum Südufer führt, wissen wir, dass es sich gelohnt hat, die zwei Stunden ins Landesinnere zu fahren: Von der Straße führt ein Stichweg auf einen Felsvorsprung, der mitten in den Weinhängen liegt und von dem aus der Blick auf den Fluss tief unten in der Schlucht sowie auf die gegenüberliegenden Steinklippen und die hohen Berge zu beiden Seiten beeindruckend ist.
Hier zwischen den Weinreben, deren dunkle und helle Trauben jetzt Anfang Oktober so süß wie Bonbons schmecken, bekommt man ein Gefühl dafür, wie anstrengend und gefährlich die Weinlese an diesen steilen Hängen sein muss.
Als die Sonne zwischen den dunkelgrauen Wolken hindurch blitzt und der Himmel ein Stück aufreißt, zieht sich ein doppelter Regenbogen in Neonfarben aus der Schlucht hinauf in die gegenüberliegenden Berge. Zur Vollendung des kitschigen Bildes fehlt nur noch der Topf mit Gold an seinem unteren Ende.
Zur Vollendung des kitschigen Bildes fehlt nur noch der Topf mit Gold am unteren Ende des leuchtenden Regenbogens.
Die schmale C-536 mit ihren engen und steilen Kurven führt am Südufer des Río Sils nach Westen bis zur Hauptstraße N120. Vorbei an alten großen Klöstern die hoch über dem Fluss thronen und schlängelt sich zwischen kleinen Dörfern hindurch, an deren Steinmauern sich entweder die Männer mit Baskenmütze, Hosenträgern und auf den Gehstock gelehnt treffen oder die Frauen ein paar Meter weiter in Kittelschürze und Kopftuch auf einer Bank am Gemüsegarten sitzen.
Um einen Flussarm zu überqueren führt die Straße kurz hinter dem Dorf A Teixeira ein wenig landeinwärts und schon nach wenigen Metern fährt man mitten durch einen Dschungel aus hohen grünen Bäumen, in dem sich die tiefen hellgrauen Wolken festhalten. Würde sich ein Affe von Ast zu Ast schwingen – es wäre kaum verwunderlich. Verschiedene Flechten und Moose sind über die schmalen Stämme hinaufgewachsen und leuchten grün und gallig gelb oder schmutzig braun und beige. Der Boden ist bedeckt von Farnen und nass glänzenden Steinen. An den Blättern der großen Kastanie am Straßenrand hängen noch kleine Wassertropfen, die es kaum schaffen zu trocknen, bis der nächste Regenschauer aus den Bergen hinunter zum Fluss gezogen ist.
Der häufige Regen und die dicken Wolken können an der Küste schon mal die Stimmung trüben. Doch wäre Galizien nicht so regenreich, gäbe es sie nicht, die grünen Berge mit ihrem feuchten Dschungel, den vielen Bächen und den zwei breiten, tiefen Flüssen Miño und Sil.
Bevor man den Regen an manchen Tagen an der Küste verflucht, sollte man vielleicht einen Abstecher in die Ribera Sacra machen. Sich auf einem der vielen Weingüter ein bisschen durch die Rebsorten probieren, sich für eine oder zwei Flaschen entscheiden und diese dann bei einer Bootsfahrt trinken, während der Regen auf den Fluss prasselt.
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